Fotografie von Allegra Ream © Allegra Ream

Vom Modeln über die Fotografie bis hin zur Produktion hat Allegra Ream der kreativen Szene ihren einzigartigen Stempel aufgedrückt. Sie lebt derzeit in Paris und sprach mit Artsper über ihren Hintergrund in der Modeindustrie, ihr Interesse an digitaler Technologie und Kunst und ihre Ratschläge für junge Kreative.

1. Hallo Allegra, kannst du uns ein wenig über deinen bisherigen Weg in der Modewelt erzählen? Wie bist du in diese Branche gekommen?

Der Einstieg in die Modebranche war eine wirklich unerwartete Richtung. Ich war 17, im ersten Jahr meines Studiums auf Hawaii, ein absoluter "Wildfang" und ich begeisterte mich für das Laufen. Ich wurde an einem Strand in Waikiki von Agenten aus New York gescoutet. Ich habe mich selbst nie als hübsch oder attraktiv empfunden, und so war ich völlig schockiert, als man mir ein Flugticket und einen Vertrag nach New York anbot. Ich war beunruhigt, aber schließlich entdeckte ich eine neue Einkommensmöglichkeit. Ich tauchte sofort in die kreativen und kunstorientierten Bereiche ein und zog kurz nach meinem ersten Jahr an der Uni nach Paris. Den Traum, Politikwissenschaften zu studieren, habe ich nie aufgegeben und schließlich auch meinen Abschluss gemacht, aber ich habe auch Agenturen auf der ganzen Welt kennen gelernt und einige Sprachen gelernt. Die Mode hat mehr für mich getan, als die meisten vermuten würden. Ich erwarb ein neues Selbstvertrauen, eine neue Lebenseinstellung, Wissen über Kultur und Geschichte, indem ich einige der ältesten Orte der Welt für Produktionen besuchte, und eine Reihe neuer Fähigkeiten und Interessen.

2. Wie hast du die diesjährige Pariser Modewoche verbracht?

Diese Modewoche war ziemlich einzigartig. Nach der Pandemie habe ich mich von der Mode zurückgezogen, mich auf mein Privatleben und mein Wohlbefinden konzentriert und an verschiedenen Projekten im Ausland gearbeitet. Es war meine erste Modewoche nach der Pandemie und ich war mehr an den Installationen und den menschlichen Interaktionen interessiert. In diesem Jahr habe ich die Gespräche genossen. Das Abendessen von Rick und Lala war ein wertvolles Tete-a-tete mit vielen über Kunst, Politik und Weltangelegenheiten. Das Knüpfen von Netzwerken, die Pflege neuer Beziehungen mit kreativen Visionen und Ideen und die eine oder andere gute Party hielten mich auf Trab. 

Links: Foto von Allegra Ream vor Gio Forma Studio Associato, Saudi-Arabien, Rechts: Foto von Allegra Ream © Allegra Ream

3. Dein kreativer Raum scheint zwischen Mode und digitaler Technologie ausgewogen zu sein. Wo siehst du die Schnittmenge zwischen diesen beiden Bereichen und wohin entwickelt sich die Branche deiner Meinung nach?

So sehr ich die Mode schätze, so sehr bin ich von der Expansion des Metaverse fasziniert. Jedes größere Unternehmen schließt sich dem Metaverse an, und es handelt sich um die am schnellsten wachsende "Zivilisation", die die Welt je gemeinsam beobachtet hat. Die Wachstumsprognosen reichen von 800 Milliarden bis 13 Billionen bis 2030. Die hohen Bewertungen von McKinsey zum Beispiel zeigen nicht nur Hoffnung, sondern auch Glaubwürdigkeit in die Blockchain-Berechnungen. Natürlich gibt es Unterschiede bei den Bewertungen, aber nach dem, was ich feststellen kann, sehe ich nur eine steigende Zukunft. Modehäuser wie Balenciaga haben bereits eine Meta-Abteilung entwickelt. Mode kann zeitlos sein, aber Meta ist grenzenlos. Früher habe ich auf Instagram-Live Ratschläge zu Krypto und Blockchain gepostet.

4. Haltest du dich für einen Kunstliebhaber? Wenn ja, was reizt dich im Moment am meisten an der Kunst?

Ganz genau. Die Beziehung zwischen dem Ungeschliffenen und dem Digitalen hat mich in den letzten Monaten inspiriert. Bei allem, was brutalistisch ist, möchte ich dabei sein. Architektur und Fotografie sprechen mich im Moment am meisten an. Sie lassen mich etwas fühlen, das ich zukünftig fühlen werde. Bei Gemälden hingegen fühle ich etwas, das ich bereits gefühlt habe.

Mein Lieblingsfoto ist im Moment Nugush Snake von Konstantin Tsibin. Wenn ich das Werk ansehe, bekomme ich Lust zu surfen oder ein silbernes Slipkleid zu tragen. Eine intakte Dichotomie, die ich nicht erklären kann.

Die Werke von Max Lamb haben für mich derzeit eine große Bedeutung. Die Kombination, die Lamb zwischen primitiven Designmethoden und digitalen Einflüssen zu schaffen vermag, ist sehr direkt. Buchstäbliche Möbel. Ich träume davon, einen Esszimmertisch und Stühle von ihm zu haben.

James Turrell. Ich fand es toll, dass ich nach Pomona fahren und seine Installation sehen konnte. Er fängt Licht und Raum auf eine Weise ein, wie es meiner Meinung nach niemand kann. Turrells Kunst hat meine Neugier für Architektur und Beleuchtung geweckt. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage sein werde, in einem Haus zu leben, das ich nicht selbst gebaut habe, ohne dass die Beziehungen zwischen Beleuchtung und Gebäude offensichtlich sind.

Urs Fischer ist jemand, den ich schon seit über einem Jahr beobachte. Letztes Jahr lernte ich Loic Gouzer kennen, und er öffnete mir die Augen für mehr als nur die NFT-Kunst, sondern auch für den Einfluss der zeitgenössischen Kunst und die intakte Dichotomie zwischen digital und greifbar. Fischers NFT-Serie "CHAOS" macht süchtig, sie zu verfolgen. Die Serie, die er mit Tiffany's gemacht hat, hat mich begeistert.

Ich finde auch, dass der junge Hunter Amos etwas Besonderes ist. Seine Bilder erinnern mich an ein vertrautes Gefühl. Ich würde gerne in seinem Kopf sein und sehen, wie er die Welt sieht und Licht und Informationen verarbeitet.

Links: Nugush Snake von Konstantin Tsibin © Konstantin Tsibin, Rechts: CHAOS #101 Design von Urs Fischer © Urs Fischer

5. Auf welche aufstrebenden digitalen Künstler hast du derzeit ein Auge geworfen?

Im Moment bin ich auf architektonische 3D-Renderings fixiert. Ich liebe, was Riccardo Fornoni im Cream Atelier macht. Ich prognostiziere eine große Nachfrage nach Künstlern wie ihm durch große Designhäuser, Unternehmen und andere Künstler.

6. Welchen Rat würden Sie anderen jungen Kreativen geben, die in die Modebranche einsteigen wollen?

Konzentriere dich auf deine Kunst. Poste und verlasse dann Instagram/Twitter/etc, all diese Plattformen belasten den Einfluss. Lies, wenn du malst, schreibe, wenn du baust, male, wenn du fotografierst; ich will damit sagen, dass du deine Sinne geschmeidig halten solltest. Die Menschen werden deine Ideen und deine Kunst mehr bemerken als den Wunsch, in eine Branche einzusteigen. Die Anerkennung wird kommen.