Bis Ende Mai 2025 zeigt die Galerie Hus eine Ausstellung mit zehn Lithografien von David Lynch, inspiriert vom Federico Fellini-Film „8 ½“ aus dem Jahr 1963. Lynch gilt als einer der ikonischsten Filmregisseure unserer Zeit, war aber nicht nur Regisseur, sondern auch Multimediakünstler und Schriftsteller.
Seine Karriere erstreckte sich über fast sechs Jahrzehnte, und sein Werk reichte von Malerei, Zeichnung, Fotografie, Druckgrafik, Bildhauerei über Musik bis hin zu Film. Seine kreativen Bemühungen führten ihn nach Paris, wo er eine Beziehung zur historischen Druckerei Idem in Montparnasse aufbaute. Dort konnte man ihn in typischer Form mit seinem eleganten weißen Haarschnitt sehen, wie er eine Zigarette rauchte, während er an seinen Lithografien arbeitete.
Idem war im Besitz verschiedener Privatpersonen, bleibt aber ein führender Treffpunkt für Künstler aus aller Welt. Lynch war in bester Gesellschaft, denn Matisse, Picasso, Miro, Braque, Chagall, Léger und Cocteau (um nur einige zu nennen) ließen ihre Lithografien alle am selben Ort drucken. Als Lynch das Kunstdruckatelier am Montparnasse in Paris zum ersten Mal besuchte, fühlte er sich sofort verbunden. Der Raum war lebendig von der Kombination aus Stein, Ort, Ideen und Menschen, die eine Stimmung erzeugten, die ihn in ihren Bann zog.
Lynch begann schon in seiner Kindheit mit der Malerei und schrieb sich schließlich Mitte der 1960er Jahre als Student an der Pennsylvania Academy of Arts in Philadelphia ein. Während seines Studiums erlebte er einen entscheidenden Moment in seinem kreativen Leben. Während er an seinem Gemälde arbeitete, begann er, das Bild vor sich wie von selbst bewegen zu sehen. Ein Gefühl von Bewegung und Wind erschien auf seiner Leinwand, und in diesem Moment entstand sein Wunsch, mit einem „bewegten Gemälde“ zu experimentieren. Sein erster Kurzfilm, Six Men Getting Sick (1967), war die erste Umsetzung von Lynchs surrealistischer Vision und integrierte eine Mischung aus Malerei und Animation in seine Loop-Vision.
Für Lynch bildeten Ideen den Kern jedes Projekts und waren nicht auf ein bestimmtes Medium beschränkt. Abstraktion, Mysteriöses oder Unheimliches ließen sich in einem Gemälde darstellen und ebenso gut in die verschiedenen Attribute dessen übertragen, was heute synonym für Lynchs Filme gilt. So wie Gemälde eine Atmosphäre vermitteln, ging es in seinen Filmen darum, eine einzigartige Aura zu schaffen, die in Richtung Surrealismus und Mysteriöses tendierte und dafür berüchtigt ist, schwer vollständig zu verstehen. Lynch beschreibt: „Alle meine Bilder sind Dramen, gewalttätig und organisch. Sie müssen gewalttätig, primitiv und grob ausgeführt sein. Ich habe nicht gelernt, die helleren Seiten des Lebens zu malen. Aber ich habe immer beide Seiten geliebt und war immer der Überzeugung, dass man, um die eine Seite zu schätzen, die andere kennen muss – je mehr Dunkelheit man konzentriert, desto mehr Licht sieht man.“
Eine wichtige Inspirationsquelle für Lynch war der italienische Regisseur und Drehbuchautor Federico Fellini, dessen Werk sich durch besondere Methoden auszeichnete, traumhafte, halluzinatorische Bilder in Momente des alltäglichen Lebens zu übertragen und dadurch die Sprache des Kinos zu verändern. Schon früh von der neorealistischen Bewegung beeinflusst, distanzierte ihn sein Streben nach einem unverwechselbaren persönlichen Ausdrucksstil von den Puristen des Neorealismus. 8 ½ ist einer seiner berühmtesten Filme und zeigt einen Filmregisseur in kreativer Lähmung. Die Reizüberflutung seines Umfelds mit seinem flehenden Filmteam, den Schauspielerinnen, seiner dümmlichen Geliebten und seiner distanzierten Ehefrau führt dazu, dass sich der Regisseur in eine Welt der Fantasie zurückzieht. Der Film ist stark selbstreferenziell. Nach Fellinis Zählung hatte er bis 1963 7 ½ Filme gedreht, womit 8 ½ sein nächster Film in seinem Katalog wäre.
Der Film handelt von der Entstehung eines Filmes und dient als Porträt des Lebens und des Umgangs mit dem Zwang, kreativ sein zu wollen. Der Regisseur sagt: „Eigentlich habe ich nichts zu sagen … aber ich möchte es ständig sagen.“ Seine Antworten scheinen in der Vergangenheit zu liegen und werden durch Fantasy- und surreale Elemente neu erfunden und analysiert.
Lynch und Fellini begegneten sich zwar nicht oft, doch die wenigen Begegnungen waren unvergesslich. Lynch zollte dem Fellini-Film mit dieser Lithografieserie Tribut, die ursprünglich 2018 entstand und im Maison du Diable im Kulturraum der Fellini-Stiftung in Sion, Schweiz, präsentiert wurde.
Lynch hatte eine besondere kreative Verbindung zu Lithografien. Lynch selbst sagt: „Zu jeder Lithografie habe ich eine kleine Geschichte im Kopf. Manchmal werden Figuren vorgeschlagen, dann entsteht eine Geschichte, und aus dieser Geschichte entsteht das Standbild. All dies wird durch die organischen Eigenschaften des Steins, der Tinte und des Prozesses bereichert. Es ist nicht von Filmen inspiriert, sondern von Ideen, und Filme werden ebenfalls von Ideen inspiriert. Es ist also derselbe Prozess: Ideen, Geschichten, Figuren. Es ist theoretisch möglich, dass eine Lithografie eine Szene oder einen ganzen Film inspiriert, das ist durchaus möglich.“
Die organischen Elemente des Steins verschmelzen in Lynchs künstlerischen Beiträgen zu jeder Lithografie und erzeugen einen einzigartigen Effekt, bei dem jeder Druck unterschiedliche Tuschebewegungen aufweist – manche innerhalb ihrer Grenzen, manche darüber hinaus. Für Lynch bestehen Verbindungen zwischen dem Filmemachen und der Lithografie. Der Ausgangspunkt, die schwarze Tinte, dient als kreative Leinwand, auf der Ideen und Figuren entstehen oder verschwinden, und jedes Bild wird (im Fall der Lithografien) vom Stein bestimmt. So wie bestimmte Regeln oder Parameter einem einzelnen Bild oder Einzelbild im Film vorschreiben, sind sowohl Lithografien als auch Filme eng mit Lynchs Vision verbunden und bringen sie zum Ausdruck.
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