Meet Maja Wismer: Die Leiterin für Gegenwartskunst im Kunstmuseum Basel

Von links nach rechts: Vivian Suter, Maja Wismer und Marina Olsen beim Aufbau der Ausstellung "Vivian Suter. soft and fluffy is my soul − my tummy juices don't worry − are sweet like a liquorice roll" im Kunstmuseum Basel Gegenwart, 2022. Photo Credit: Max Ehrengruber

Diese Woche hatte Artsper die Gelegenheit, sich mit Maja Wismer, der Leiterin für Gegenwartskunst am Kunstmuseum Basel, zusammenzusetzen. Wir haben uns sehr gefreut, von Maja über ihren Weg zu ihrer aktuellen Position zu hören und darüber, wie sie mit ihrer Arbeit Projekte schafft, die einen inklusiven und feministischen Beitrag zur Kunst leisten, und wie sie zu Unrecht vergessenen Künstlerinnen eine neue Plattform bietet. Willkommen in der Welt von Maja Wismer! 

1. Hallo Maja! Ihre Arbeit als Kunsthistorikerin hat Sie zur Position der Leiterin der Gegenwartskunst am Kunstmuseum Basel geführt. Können Sie uns mehr über Ihren beruflichen Werdegang erzählen und wie Sie zu dieser Position gekommen sind? 

Ich komme aus einem sehr kunstaffinen Elternhaus. Manchmal wundere ich mich selbst, dass ich beruflich diesen Schritt eingeschlagen habe. Tatsächlich habe ich mich aber erst mit ca. 17 Jahren während eines Schüleraustausches im Nordwesten der USA, in Boise, Idaho, dazu entschieden, mich auf die Kunst als Berufsfeld einzulassen. Bereits während des Kunstgeschichtsstudiums in Basel und Berlin habe ich verschiedentlich und regelmäßig für Galerien, Künstlernachlässe und Ausstellungsinstitutionen sowie auch für einen Verlag gearbeitet. Direkt nach dem Studium habe ich als Kuratorin in verschiedenen Kontexten (Kunstverein, Messe, selbstorganisierter Kunstraum) Projekte entwickelt. Für meine heutige Position war sicher mein zweijähriges Curatorial Fellowship am Busch-Reisinger Museum der Universität Harvard ausschlaggebend. Ich durfte dort das Handwerk der Museumsarbeit in einer sehr privilegierten Umgebung lernen und anwenden.

2. Das Kunstmuseum Basel gilt als das älteste öffentlich zugängliche Kunstmuseum der Welt und beherbergt die größte öffentliche Kunstsammlung der Schweiz. Wie entscheiden Sie, welche Künstlerinnen und Künstler oder Kunstwerke in den Fokus der Ausstellungen gerückt werden sollen, und welche Kriterien spielen dabei für Sie eine große Rolle?

Dieses Erbe spielt tatsächlich auch im Alltag und der Programmierung eine Rolle. Im Prinzip suchen wir immer Themen oder Künstler:innen, die zum einen natürlich neue Perspektiven auf das Leben oder/und die Kunst aufzeigen, und die zum anderen auf ganz unterschiedliche Weise auch anschlussfähig an die Sammlung oder die Geschichte des Museums und der Sammlungsentwicklung sind. Dies ist kein hermetischer Prozess, ich selbst, aber natürlich auch alle meine Kollg:innen sind im Gespräch mit Künstler:innen, Galerist:innen und Kolleg:innen anderer Institutionen. Wenn ich in Richtung Einzelausstellung denke (kürzlich konnten wir die Übersichtsausstellung der Künstlerin Andrea Büttner eröffnen), dann steht natürlich auch die Absicht dahinter, dass es sich um eine künstlerische Position handelt, die wir auch gerne in der Sammlung hätten. Und im Idealfall können wir das dann verwirklichen.

Links: Ausstellungsansicht: Andrea Büttner, Untitled, 2017 & Brown Wall Painting, 2006 . Credit: Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin, Lenbachhaus und Kunstbau, München. / Rechts: Andrea Büttner, Phone Etching, 2015. Credit: Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin, Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett. Fotos: Julian Salinas

3. Wie gehen Sie mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen in der zeitgenössischen Kunst um und wie reflektieren Sie diese Themen in den Ausstellungen und Programmen des Kunstmuseums Basel?

Im Prinzip konzipiere ich jede Ausstellung aus gegenwärtiger Perspektive. Selbst wenn es sich dabei um historischere Werke handelt, versuche ich, den Funken zum Publikum durch das Aufzeigen von aktuellen Themen springen zu lassen. In jüngster Zeit waren die in Zusammenarbeit mit der neuseeländischen Aotearoa Künstlerin Ruth Buchanan eine Ausstellung, die wir als eine Art Psychoanalyse des Gebäudes konzipiert haben, welches am Kunstmuseum Basel seit 1980 der zeitgenössischen Kunst gewidmet ist, das Kunstmuseum Basel I Gegenwart. Hintergrund war, dass ich gerne verstehen wollte, wie es dazu kam, dass auch unsere Sammlung verhältnismäßig erschreckend wenig Werke von Künstlerinnen enthält. Und ganz kürzlich habe ich gemeinsam mit drei Kuratorinnen eine Gruppenausstellung realisiert mit Werken, die wir zu viert gleichzeitig als feministisch und 'fun' eingestuft haben. Dabei ist die höchst erfolgreiche Ausstellung ''Fun Feminism'' entstanden, die von einem unerwartet breiten Publikum wahrgenommen und besucht wurde.

4. Paula Modersohn-Becker, Louise Breslau und Augusta Roszmann… um nur einige der Künstlerinnen zu nennen, die von der Kunstgeschichte eher unterrepräsentiert waren und einen besonderen Platz im Kunstmuseum Basel eingefunden haben. Wie gehen Sie mit Diversität und Inklusion um, insbesondere in Bezug auf feministische Ansätze, und wie fördern Sie eine repräsentative Vielfalt von Künstlerinnen in Ihren Ausstellungen und Sammlungen?  

Die Namen, die Sie nennen, gehören in der Tat in die Kunstgeschichte; an meiner jetzigen Position habe ich eher mit Kunst zu tun, die noch Geschichte wird. Ich habe aber tatsächlich in diesem Jahr eine Ausstellung eröffnen können, die ich aufgrund von Corona schon eine Weile im Gepäck hatte. Es handelt sich dabei um eine monografische Ausstellung zur völlig unbekannten und in der Geschichte unterrepräsentierten Künstlerin Charmion von Wiegand. Charmion von Wiegand ist die Ausstellung einer zu Unrecht in Vergessenheit geratenen außergewöhnlichen Künstlerin des 20. Jahrhunderts, die transkulturelle Offenheit und Diversität bereits früh gelebt und bildlich dargestellt hat. 

Sie veranschaulicht ihr künstlerisches Wirken ebenso wie ihr ausgeprägtes Gespür für nicht-westliche Kulturen oder für das Schaffen anderer Künstler:innen. In Zusammenhang mit dieser Ausstellung konnte ich eine umfangreiche Monografie publizieren und auch einige Lexikoneinträge schreiben. Das ganze Projekt ist ein inklusiver und feministischer Beitrag zur Kunstgeschichte. Diese beiden Begriffe sind immer eigentlich Teil meiner Arbeit, mal ist es interessanter, sie direkt auszusprechen, mal zeigen sie sich versteckter. Ein gewisser kritischer Blick vereint alle meine Projekte.

Links: Ausstellungsansicht "Fun Feminism" im Kunstmuseum Basel. Foto: Max Ehrengruber / Rechts: Ruth Buchanan, Heute Nacht geträumt, 2022. Foto: Jonas Hänggi

5. Sie kuratieren von Berufs wegen. Wir würden gerne wissen, welche Kunst Sie in Ihrem Zuhause "kuratieren"? Auf welche Künstler haben Sie derzeit ein besonderes Augenmerk und warum?  

Zuhause kuratiere ich nicht. Ich sammle auch privat keine Kunst. Aber ich lebe mit Kunst. Mit Werken von befreundeten Künstler:innen, kleineren Ankäufen, familiären Erinnerungsstücken, zuweilen auch mit Reproduktionen (Postkarten, Postern) von Werken, die in großen Museen hängen. Es gibt eine Reihe von Künstler:innen deren Wertentwicklung ich verfolge; manchmal ergibt sich daraus eine Ausstellung; manchmal rücken die Werke für eine Weile in den Hintergrund und tauchen später wieder auf.

6. Wo in der Welt können wir Sie außerhalb von Basel antreffen? Welche Orte inspirieren Sie und warum? 

Es ist immer wieder gut, das Museum zu verlassen, um die Themen der Kunst sozusagen im Aussenraum zu 'testen'. Neben dem Austausch mit der internationalen Community, ist für mich vor allem der Weitblick inspirierend. Dafür muss man in der Schweiz auf die Berge steigen oder das Land verlassen, um ans Meer zu fahren. Beides mache ich regelmäßig.


Auswahl von Kunstwerken

Fotografien, Untitled Portrait of Female, Man Ray

Untitled Portrait of Female

Man Ray

Fotografien - 25.7 x 26 x 0.3 cm Fotografien - 10.13 x 10.25 x 0.1 inch

Verkauft

Fotografien, Portrait of Francis Picabia, Man Ray

Portrait of Francis Picabia

Man Ray

Fotografien - 27 x 21 x 0.2 cm Fotografien - 10.6 x 8.3 x 0.1 inch

32.000 €

Gemälde, Whatever comes later goes, Berit Louise Sara-Grønn

Whatever comes later goes

Berit Louise Sara-Grønn

Gemälde - 280 x 222 cm Gemälde - 110.2 x 87.4 inch

7.500 €

Gemälde, Flesh is pink and life is hue, Berit Louise Sara-Grønn

Flesh is pink and life is hue

Berit Louise Sara-Grønn

Gemälde - 250 x 200 x 4 cm Gemälde - 98.4 x 78.7 x 1.6 inch

11.834 €

Drucke, Sans titre, Man Ray

Sans titre

Man Ray

Drucke - 50 x 36 x 1 cm Drucke - 19.7 x 14.2 x 0.4 inch

Verkauft

Gemälde, Shoe game, Berit Louise Sara-Grønn

Shoe game

Berit Louise Sara-Grønn

Gemälde - 197 x 250 x 4 cm Gemälde - 77.6 x 98.4 x 1.6 inch

12.173 €

Skulpturen, Bloc 261, Pascal Pierme

Bloc 261

Pascal Pierme

Skulpturen - 81.3 x 63.5 x 5.1 cm Skulpturen - 32 x 25 x 2 inch

5.865 €

Skulpturen, Verve on blue 2, Pascal Pierme

Verve on blue 2

Pascal Pierme

Skulpturen - 111.8 x 88.9 x 5.1 cm Skulpturen - 44 x 35 x 2 inch

5.621 €

Zeichnungen, Sapoe 42, Pascal Pierme

Sapoe 42

Pascal Pierme

Zeichnungen - 55.9 x 20.3 x 5.1 cm Zeichnungen - 22 x 8 x 2 inch

611 €

Skulpturen, Traças 5, Patricia Lazcano Irazazábal

Traças 5

Patricia Lazcano Irazazábal

Skulpturen - 20.5 x 34 x 4 cm Skulpturen - 8.1 x 13.4 x 1.6 inch

850 €

Skulpturen, Traças 16, Patricia Lazcano Irazazábal

Traças 16

Patricia Lazcano Irazazábal

Skulpturen - 26 x 23 x 4 cm Skulpturen - 10.2 x 9.1 x 1.6 inch

850 €