Im Gespräch mit Kristina Hammer: Die Präsidentin der Salzburger Festspiele begrüßt Artsper auf der Opernbühne

Kristina Hammer, Präsidentin der Salzburger Festspiele © SF/Erika Mayer

Diese Woche hatte Artsper die Freude, sich mit Frau Dr. Kristina Hammer, der Präsidentin der Salzburger Festspiele zu treffen! Die Salzburger Festspiele sind ein jährliches Highlight der internationalen Kulturszene und eine globale, herausragende Plattform für Musik, Oper, Theater und Tanz. Unser Team sprach mit Frau Hammer über ihren bisherigen Karriereweg, die Besonderheiten der diesjährigen Ausgabe des Mehrsparten-Festivals sowie ihre persönlichen, künstlerischen Inspirationsquellen! Willkommen in der Welt von Kristina Hammer! 

1. Liebe Frau Hammer, könnten Sie uns mehr über Ihren beruflichen Weg und welche Erkenntnisse Sie daraus mit in Ihre Position als Präsidentin der Salzburger Festspiele genommen haben, erzählen?

Gehen wir chronologisch vor. Meine Karriere als Managerin begann im schönen Wien als Geschäftsführerin des Fashion Department Stores Steffl. Während dieser Zeit konnte ich beobachten, wie der Handel seinen Fokus änderte. Im Einkauf, bei der Warenpräsentation und den Dienstleistungen ging es zunehmend darum, die Kundinnen und Kunden und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Das wurde fortan mein Leitmotiv. Dann wechselte ich in die Automobilindustrie und nach Großbritannien. Unter dem Dach der Ford Motor Company versammelten sich Premium-Marken aus unterschiedlichen Ländern, beispielsweise Jaguar, Land Rover und Aston Martin aus England, Volvo aus Schweden und Lincoln aus den USA. Diese Konstellation verlangte nach einem klaren Verständnis der unterschiedlichen Markenkerne, nach interkultureller Kompetenz und dem Wissen, dass Fortschritt und Innovation Bausteine für den Erfolg von morgen sind. 

Danach durfte ich die globale Markenkommunikation von Mercedes-Benz im Headquarter in Stuttgart leiten. Eine herausfordernde Aufgabe, die neben der Kenntnis unterschiedlicher Märkte die Fokussierung auf bislang vernachlässigte Kundensegmente verlangte: Wie findet man Zugang zu den Jüngeren, ohne die Best Ager zu verlieren? Wie wird eine Marke für Frauen attraktiver? Welche Kommunikationskanäle nutzt man zielführend, um Begehrlichkeit bei der Zielgruppe zu wecken? Diese Fragen drehen sich im Kern auch um so wichtige Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität. Später führte ich mein eigenes Beratungsunternehmen in Zürich und lernte dort, was es bedeutet, das Angebot kundenspezifisch zu individualisieren, den Klienten und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen und dies entsprechend zu verkaufen.  

2. Was ist ihr Bezug zur Hochkultur?

In einer kulturaffinen Familie aufgewachsen, bin ich von Kindheit an unzählige Male – im In- und Ausland – in Opernhäusern, Konzertsälen und Theatern gesessen. Was mich dabei interessiert hat, war von Anfang an nicht allein die Auseinandersetzung mit den Werken, den Inszenierungen und den Leistungen der Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne und im Orchestergraben. Was mich immer mindestens ebenso sehr fasziniert hat, war der Betrieb dahinter. Alles, was es tatsächlich braucht, damit ein Haus wie dieses funktionieren kann. Die Vielzahl an Tätigkeiten, von denen jede einzelne auf Können, Handwerk, Kunstfertigkeit und Inspiration basiert –, und die erst im perfekt aufeinander abgestimmten Zusammenspiel ein wirklich künstlerisch hochklassiges Werk möglich machen. 

Es hat zu den interessantesten Erfahrungen meines Lebens gehört, als ich im Rahmen meiner Tätigkeit im Vorstand der Freunde der Zürcher Oper dieses kreative Miteinander erstmals auch persönlich miterleben durfte. Davon ein Teil zu sein, dazu etwas beitragen zu können – das ist hier bei den Salzburger Festspielen für mich zur Erfüllung geworden.  

3. Mit welchen 3 Schlagworten würden Sie die Salzburger Festspiele beschreiben?

Höchste künstlerische Qualität 

Einzigartiges Setting im Herzen Europas 

Vertrauen & Leidenschaft  

Links: Don Giovanni, 2021 / Rechts: Orfeo ed Euridice, 2023 © SF/Monika Rittershaus

4. Was macht die Festspiele so besonders und was sind die Highlights der diesjährigen Ausgabe, die man nicht verpassen sollte?

Die Salzburger Festspiele wurden vor 100 Jahren nach den entsetzlichen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges in einer Zeit einer Pandemie, von Not, bitterer Armut, aber auch politischer Radikalität gegründet, um die Kraft des Geistes und der menschlichen Kreativität als das Verbindende zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Identitäten, Religionen und ethnischer Zugehörigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. So stand von Anfang an der Gedanke von Versöhnung und Frieden im Zentrum der Festspiel-Programmatik. 

Der Krieg in der Ukraine, der erste Krieg auf europäischem Boden seit langer Zeit hat unsere erlebte Welt aus allen Fugen geraten lassen. Eine Welt, durch die ohnehin schon lange ein Riss geht: Ein Riss zwischen Osten und Westen, zwischen Nationalitäten und Bevölkerungsgruppen, zwischen Kulturen und Geschlechtern. Eine Welt, die nun in Schwarz-Weiß gezeichnet scheint, die immer geheimnisloser wird und der die Zwischentöne abhandenkommen. Was kann Kunst, was kann Musik und Theater in solchen Zeiten überhaupt bewirken? Kunst kann die Welt für uns nicht retten und sie kann auch keinen Krieg beenden. Aber helfen, in Zeiten wie diesen innezuhalten, durchzublicken und Hoffnung zu schöpfen, das kann sie sehr wohl. Dafür sind die Salzburger Festspiele seit mehr als 100 Jahren ein leuchtendes Beispiel. 

Als Präsidentin bin ich natürlich der Ansicht, dass Sie keine der 213 Vorstellungen des nächsten Festspielsommers verpassen sollten. Zeitlos aktuell ist die Handlung von Bohuslav Martinůs Oper Griechische Passion, und die Bezugspunkte zu gegenwärtigen Geschehnissen sind unverkennbar: Entkräftete, hilfsbedürftige Flüchtlinge bitten eine wohlhabende Dorfgemeinschaft um Asyl und lösen dadurch unerbittliche Konflikte aus. Wer ergreift Partei für, wer gegen die aus ihrer Heimat Vertriebenen? – Ein biografisches Schicksal, das der tschechische Komponist Martinů selbst teilte. 

Im Schauspiel freue ich mich auf die Bühnenvariante von Michael Hanekes Kultfilm Liebe (Amour). Karin Henkel, die zuletzt in Salzburg Richard the Kid & the King spektakulär in Szene setzte, inszeniert diesen großen Diskurs, um einen selbstbestimmten Umgang mit Alter, Krankheit und Tod. 

Und bei den vielen Konzerthighlights ist es natürlich ganz besonders schwierig etwas herauszupicken, aber das Konzert Notturno im Rahmen der Ouverture spirituelle in der Kollegienkirche mit Salvatore Sciarrinos mystischer Kurzoper Infinito Nero verspricht ein ganz besonderes Festspielerlebnis zu werden.

5. Seit Ihrer Zeit als Präsidentin, haben Sie einen persönlichen Höhepunkt oder eine interessante Story, die Sie mit uns teilen möchten, die den Alltag der Festspiele beschreiben?  

Der Moment, der mich verzaubert, ist, wenn die Künstler kommen und zu proben beginnen. Ich möchte beispielhaft die Ankunft der Wiener Philharmoniker beschreiben. Alleine die ganzen Instrumente benötigen einen riesigen LKW und dann dieses einmalige Orchester. Sie im letzten Sommer zum ersten Mal im Namen der Salzburger Festspiele willkommen zu heißen, hat mir unendlich viel bedeutet. So viele Male habe ich sie im Laufe meines Lebens spielen gehört und dann ist es doch etwas ganz anderes, wenn man plötzlich sagt: Willkommen in Salzburg bei den Festspielen 2023, denn es gilt einfach: Ohne die Wiener Philharmoniker sind es Festspiele – mit Ihnen sind es die Salzburger Festspiele.

6. Artsper und die Salzburger Festspiele verbindet ein Stichwort: Jedermann. Artsper's Ziel ist es Kunst für jedermann zugänglich zu machen und Jedermanns Echo lässt sich noch immer 100 Jahre nach der Uraufführung alljährlich am Salzburger Domplatz wahrnehmen. Unabhängig vom Schauspiel ''Jedermann'', wie stellen Sie sicher, dass die Festspiele für jedermann zugänglich sind? Welche Projekte haben Sie für ein junges Publikum für die Ausgabe 2023 geplant? 

Wir gehen mit zwei mobilen Produktionen in Stadt und Land Salzburg: Mit 53 Vorstellungen sowie zahlreichen Schulworkshops bieten die Salzburger Festspiele von März bis Ende August ein breites Angebot für Kinder und Jugendliche an Salzburger Schulen und in Kulturzentren im Bundesland Salzburg an. Darüber hinaus können Schulklassen in Projektwochen selbst thematisch zu einer Produktion der Salzburger Festspiele kreativ und vertiefend arbeiten. Unterstützt werden sie dabei von Künstlerinnen und Künstlern sowie Pädagoginnen und Pädagogen in Workshops und Gesprächen. 

Maurice Ravel schrieb die Kinderoper Das Kind und die Zauberdinge, die während der Festspiele das junge Publikum begeistert. Giulia Giammona wird das von Egon Bloch ins Deutsche übertragenen Stück inszenieren. Die junge deutsche Dirigentin Anna Handler übernimmt die musikalische Leitung. Wie immer singen die Teilnehmerinnen des Young Singers Project 2023. Vor den Aufführungen gibt es Einführungsworkshops unter dem Titel Wir spielen Oper. 

Bereits im Vorjahr bewährt hat sich das Modell der Festspielpatenschaften: Erfahrene Festspielgäste teilen dabei ihre Leidenschaft, ihre Begeisterung und Erlebnisse bei den Salzburger Festspielen mit jungem Publikum. Sie übernehmen eine Patenschaft für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren, die noch nie eine Vorstellung der Salzburger Festspiele besucht haben. Ein Empfang mit Werkeinführung vor der Vorstellung bietet Raum zum Kennenlernen und für Gespräche. Der gemeinsame Vorstellungsbesuch und Austausch schafft für beide Seiten einen besonderen Zugang zur Festspielwelt. 

In den vier Operncamps vertiefen sich musikbegeisterte Kinder und von 9 bis 17 Jahren in die Welt der Oper und verbringen mit Künstlerinnen und erfahrenen Pädagog:innen eine Woche in Schloss Arenberg. Sie befassen sich mit Opernstoffen und präsentieren unter Mitwirkung von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker ihre eigene Neuinterpretation in einer öffentlichen Abschlussaufführung. 2023 wird es ein Jedermann-Camp, ein Figaro-Camp, ein Orfeo-Camp und ein Falstaff-Camp geben. 

Außerdem verkaufen wir 6000 ermäßigte Tickets für Jugendliche; für Oper, Schauspiel und Konzert! –Die Ermäßigung von bis zu 90 Prozent gilt für Jugendliche und junge Erwachsene, die unter 27 Jahre alt sind.

Links: Das Foyer vom Haus für Mozart © SF/Andreas Kolarik / Rechts: Außenansicht vom Haus für Mozart © SF/Karl Forster

7. Seit 1920 ist das Event tief in Salzburg sowie dem kulturellen Kalender internationaler Musikliebhaber verankert. Was denken Sie, wird sich an den Festspielen nie etwas ändern, welche Veränderungen sind bereits spürbar und wo denken Sie, werden die Festspiele beim nächsten 100-jährigen Jubiläum stehen?  

Um auch das Eigenverständnis vom schönsten, besten, wichtigsten Festival aufrechtzuerhalten ist großer Einsatz und Leidenschaft für die Sache notwendig, gilt es stetig den Puls der Zeit zu fühlen und ihr oft voraus zu sein; sich dauernd zu verändern ohne den inneren Kern, die Grundidee des Ereignisses zu schmelzen. Und das Ganze mit einem Aktionsradius um die ganze Welt. 

Es geht um Relevanz für die heutige Gesellschaft. Jedes Jahr steht unter einem Generalthema. Alte und neue Stoffe treffen aufeinander. Komponistinnen und Komponisten, deren Werke zu entdecken sind, werden in konzentrierter Form zu Gehör gebracht. Opern, die einmal Standards gesetzt haben, werden auf Tauglichkeit für heute überprüft: Ein weltoffenes Projekt, das die Grundlagen unserer Gesellschaft mit künstlerischen Mitteln zu ergründen sucht. Dabei muss Kunst auch gegen den Mainstream schwimmen – Kunst ist nicht Mainstream oder Eskapismus! Das ist das Wesen von Kunst. Die Festspiele sind dieser Aufgabe in den letzten 100 Jahren eindrucksvoll gerecht geworden und werden diese Aufgabe auch in Zukunft erfüllen. Ihre gesellschaftliche Rolle ist eine Rolle der Verantwortung, aber auch des Experimentierraums. 

Dabei ist es unsere Aufgabe, den Dialog mit den 225.000 Menschen und über 70 Nationen, die jährlich unsere Festspiele besuchen, zu wahren – Völker zu verbinden, statt sie zu trennen. Niemals werden die Salzburger Festspiele jemanden schlicht wegen seiner Nationalität oder ihrer Herkunft ausschließen.

8. Bei Ihrer Arbeit sind Sie täglich von kreativen Köpfen und Künstlern umgeben. Neben Ihrer Liebe zur klassischen Musik, welche bildenden Künstler inspirieren Sie? 

Ich durfte im letzten Jahr eine Stunde allein im „Pixelwald“, meiner Lieblingsinstallation von Videokünstlerin Pipilotti Rist im Kunsthaus Zürich verbringen. Es war großartig, dieses dreidimensionale Werk so intim zu erleben. Die Farbwechsel, sphärischen Klänge, überhaupt das Zusammenspiel von Licht, Farbe und Ton aus immer neuen Blickwinkeln zu erfahren. Dieses Werk macht etwas mit dir, wenn du dich darauf einlässt. Wie ein Zauberwald, aber auch wie das echte Leben, das je nach Perspektive immer neue Möglichkeiten eröffnet. Das erste Mal begegnet ist mir die Schweizerin, die eigentlich Elisabeth Charlotte Rist heißt, 1997 auf der Biennale in Venedig. Dieses Werk hat sich durch das unerwartete Spiel mit vielen Gegensätzlichkeit in mein Gedächtnis gebrannt „Ever is Over all“ heißt das frühe Werk, das später vom Museum of Modern Art erworben wurde. 

9. Das Große Festspielhaus wird zum Beispiel vom New Yorker Maler und Bildhauer Robert Longo, der auch auf Artsper vertreten ist, künstlerisch untermalt. Wo auf der Welt lassen Sie sich inspirieren? 

Überall auf der Welt. Ich erobere Städte liebend gerne zu Fuß und erkunde sie – auch gerne die nicht so bekannten Viertel. Ich versuche auf meinen Reisen immer genug Zeit zu haben, um ein interessantes Theaterstück zu sehen, eine neue Operninszenierung oder ein spannendes Konzert. Es ist wichtig zu wissen und aus erster Hand zu erfahren, was national und international spannendes Neues entsteht. Ebenso ist mir ein Museums- oder Galeriebesuch wichtig, das gibt mir Kraft und innere Ruhe. 


Auswahl von Kunstwerken

Fotografien, Gabriel's Wing, Robert Longo

Gabriel's Wing

Robert Longo

Fotografien - 81 x 132 x 1 cm Fotografien - 31.9 x 52 x 0.4 inch

Verkauft

Gemälde, Petite coupure, Jérémie Iordanoff

Petite coupure

Jérémie Iordanoff

Gemälde - 41 x 33 cm Gemälde - 16.1 x 13 inch

1.087 €

Gemälde, Untitled 707 (Abstract Painting), Jérémie Iordanoff

Untitled 707 (Abstract Painting)

Jérémie Iordanoff

Gemälde - 92 x 73 cm Gemälde - 36.2 x 28.7 inch

2.415 €

Gemälde, Ponds edge, Berit Louise Sara-Grønn

Ponds edge

Berit Louise Sara-Grønn

Gemälde - 250 x 200 x 4 cm Gemälde - 98.4 x 78.7 x 1.6 inch

11.834 €

Gemälde, The dandelion has it's own will, Berit Louise Sara-Grønn

The dandelion has it's own will

Berit Louise Sara-Grønn

Gemälde - 197 x 237 x 4 cm Gemälde - 77.6 x 93.3 x 1.6 inch

11.894 €

Gemälde, Mr.Spoon bender, Berit Louise Sara-Grønn

Mr.Spoon bender

Berit Louise Sara-Grønn

Gemälde - 237 x 197 x 4 cm Gemälde - 93.3 x 77.6 x 1.6 inch

11.834 €

Gemälde, Chaud, Jérémie Iordanoff

Chaud

Jérémie Iordanoff

Gemälde - 92 x 73 cm Gemälde - 36.2 x 28.7 inch

2.415 €

Zeichnungen, Weinenmüssen, Miriam Cahn

Weinenmüssen

Miriam Cahn

Zeichnungen - 57 x 42 cm Zeichnungen - 22.4 x 16.5 inch

Verkauft

Drucke, Couple enlacé / Couple embracing, 1901, Gustav Klimt

Couple enlacé / Couple embracing, 1901

Gustav Klimt

Drucke - 64 x 48 x 1 cm Drucke - 25.2 x 18.9 x 0.4 inch

595 €

Drucke, Untitled, Antoni Tapies

Untitled

Antoni Tapies

Drucke - 77 x 57 cm Drucke - 30.3 x 22.4 inch

2.500 €