Meet Karola Kraus

Direktorin des MUMOK Wien (Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien)

Meet Karola Kraus - illustration 1

Karola Kraus, (c) mumok/Niko Havranek, 2019

Wie auch bei Artsper, ist das Ziel des Wiener Museums für moderne Kunst (kurz: mumok) die Barrieren innerhalb des Kunstmarkts abzubauen. Das mumok ist ein Treffpunkt, bei dem Künstler*innen und Kunstinteressierte sich mit der Kunst und all ihren Gegensätzen befassen, von ästhetischer Erfahrung bis hin zur emotionalen Auseinandersetzung. Wir befragten Karola Kraus, Direktorin des seit 2001 im 7. Wiener Bezirk bestehenden Hauses zu Ihrem für die Kunstwelt prädestinierten Werdegang, Ihren persönlichen Inspirationen und was das Museum aus Basaltlava inmitten von Wien so einzigartig macht.  

1. Ihr erster Schritt in die Kunstbranche begann schon früh mit der Kunstsammlung Ihrer Familie, der Grässlin Sammlung, einer der markantesten zeitgenössischen Kunstsammlungen des deutschen Informel sowie Ihrem engen Kontakt zu Martin Kippenberger. Könnten Sie uns mehr über Ihren beruflichen Weg und wie Sie zu Ihrer aktuellen Position gekommen sind, erzählen?

Als meine Eltern begonnen haben, Werke von Künstlern des deutschen Informel zusammenzutragen, wurde unser Haus in dem kleinen Industriestädtchen St. Georgen im Schwarzwald zu einer Begegnungsstätte für Künstler und kunstinteressierte Freund*innen unserer Familie. Es gab hitzige Diskussionen über Kunst, die mein Leben und das meiner Geschwister prägen sollten. Die Begegnung mit Martin Kippenberger im Jahre 1980 war für mich besonders wichtig, da er mich an die zeitgenössische Kunst herangeführt hat. Sie war der Auslöser für die Entscheidung, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Ich habe mich bereits während meines Studiums intensiv mit zeitgenössischer Kunst befasst, habe viele Ausstellungen in Galerien und Museen besucht und sehr viel Zeit in der Kantine der Akademie in München verbracht, wo ich in einem engen Austausch mit Künstler*innen war. 

Nach dem Abschluss meines Kunstgeschichtestudiums arbeitete ich in Berlin als Projektassistentin bei der Großausstellung „Metropolis“, wo ich die Projekte von 25 internationalen Künstlerinnen und Künstlern betreut habe und darüber hinaus für die Koordination des gesamten Aufbaus im Martin Gropius-Bau verantwortlich war. Bei diesem Job habe ich geballt die Aufgaben einer Kuratorin mit all ihren Facetten kennengelernt und war für meine weitere Laufbahn gerüstet. Danach leitete ich den nichtkommerziellen Kunstraum Daxer in München, wo ich internationale künstlerische Positionen der 1980er- und 90er-Jahre mit Schwerpunkt auf konzeptuelle und kontextbezogene Installationen präsentierte. Ab 1995 organisierte ich als persönliche Mitarbeiterin von Katharina Sieverding unter anderem ihren Beitrag im Deutschen Pavillon der 47. Biennale in Venedig und mehrere Einzelausstellungen in großen, internationalen Museen. Vier Jahre später übernahm ich die Leitung des Kunstvereins Braunschweig. Im Haupthaus Salve Hospes setzte ich internationale Tendenzen der 1980er- und 90er-Jahre mit solchen der 1960er- und 70er-Jahre in Dialog. In der angegliederten Studiogalerie habe ich der jungen, experimentellen Kunst ein Forum kreativer Auseinandersetzung ermöglicht. 

Es erfüllt mich mit Stolz, dass die ersten institutionellen Einzelausstellungen im Kunstverein Braunschweig für viele Künstler*innen ein Sprungbrett in eine internationale Karriere waren. Von 2006 bis 2010 war ich Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, wo ich neben Einzelpräsentationen und thematischen Gruppenausstellungen im regelmäßigen Turnus auch größere Überblicksschauen zu Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung von Kunst organisierte. Seit 2010 bin ich Direktorin des mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien. Step by step entwickelte ich mich von einem Ein-Frau-Betrieb hin bis zur Führung des größten Museums für moderne und zeitgenössische Kunst im zentraleuropäischen Raum.  

2. Das mumok besticht durch seine außergewöhnliche Architektur und seine hochwertige Sammlung an Werken der Klassischen Moderne, des Wiener Aktionismus, der Sammlung Ludwig und, neben vielen weiteren, der Gegenwartskunst. Persönlich betrachtet, ist Ihnen bei einem Kunstwerk die augenscheinliche Optik des Werks oder die Geschichte dahinter wichtiger? Und finden Sie, schafft eher Schönheit oder Schock einen Bewusstseinswandel im Betrachter?

Mir ist es wichtig, Künstler*innen zu protegieren, deren Arbeiten die Ansätze und das Denken über die Kunst maßgeblich verändern und die später als Zeitphänomen von anderen Künstler*innen rezipiert werden.  

3. Ein Kredo von Artsper ist es, den Kunstmarkt für alle Akteure zu demokratisieren. Viele Kunden auf Artsper sind keine etablierten Sammler, sondern Neukunden, die mit dem Kauf eines Kunstwerks erst ihre Sammlung beginnen. Was würden Sie Neueinsteigern für Ihren ersten Kunstkauf raten? 

Menschen, die beginnen möchten zu sammeln, gebe ich den Rat, so viele Ausstellungen wie möglich anzuschauen und auch bei den regelmäßigen Akademierundgängen zu schnuppern. Viele Kunstinstitutionen bieten für ihre Freundeskreise spannende Programme an. Mit unseren mumok Contemporaries besuchen wir zum Beispiel Ausstellungen, Kunstmessen, Privatsammlungen oder Künstler*innenateliers und führen so interessierte Menschen an die zeitgenössische Kunst heran. 

Eine Möglichkeit, relativ preiswert Kunstwerke aufstrebender junger sowie etablierter Künstler*innen kaufen zu können, sind Auflagenarbeiten. Das mumok gibt von Künstler*innen, die im mumok ausstellen, regelmäßig Editionen heraus. Besonders empfehlen möchte ich die Edition von Wolfgang Tillmans, die er im Rahmen seiner Ausstellung im mumok für uns realisiert hat und die momentan in seiner großen Retrospektive im MoMA in New York ausgestellt ist. 

Meet Karola Kraus - illustration 1
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Links: Wolfgang Tillmans, Around Ten Years Around Me, 2022 / Rechts: Kiki Kogelnik, War Baby, 1972

4. Sie kuratierten den diesjährigen österreichischen Pavillon bei der Venediger Biennale Arte mit Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl. Wir würden gerne wissen, wie “kuratieren“ Sie Kunst in Ihrer privaten Umgebung? Worauf achten Sie?

Ich umgebe mich in meiner Wohnung mit Bildern, Skulpturen, Fotografien oder Zeichnungen aus meiner eigenen Sammlung sowie mit Kunstwerken, die oft nicht nur zur kontemplativen Betrachtung, sondern auch zur aktiven Nutzung einladen. So sind meine Garderobe, mein Esstisch, mein Sofa oder meine Lampen von Künstler*innen gestaltet. 

5. Auf Artsper finden sich, wie auch in der Grässlin Sammlung, Künstler wie Baselitz, Imi Knoebel und Manuel Ocampo. Können Sie uns ein Lieblingswerk aus Ihrer Sammlung und dem mumok nennen? Und aus welchem Grund haben Sie sich für diese beiden entschieden?

Bei mir zu Hause hängt ein Kinderstern von Imi Knoebel. Seit 1988 gibt Knoebel in einer unlimitierten Auflage Kindersterne heraus. Der Erlös fließt zu hundert Prozent in Projekte für in Not geratene Kinder. Mir gefällt der Gedanke, dass man ein schönes Objekt erwirbt und gleichzeitig eine humanitäre Initiative unterstützt. Momentan freue ich mich jeden Morgen, wenn ich im mumok in der Eingangsebene auf die große Plüschspinne „La Vedova Blu“ (Die blaue Witwe) von Pino Pascali blicke, die den Auftakt zu unserer Jubiläumsausstellung „Das Tier in Dir – Kreaturen in (und außerhalb) der mumok Sammlung“ bildet. Sie macht neugierig und verunsichert uns gleichzeitig, denn die gigantische blaue Spinne ist ein verfremdetes, unwirkliches, absurdes und märchenhaftes Abbild. 

Es erfüllt mich mit Stolz, dass mein Team und ich in den letzten Jahren unsere sehr stark von Männern dominierten Sammlungen der 1960er- und 70er-Jahre mit Kunstwerken von Künstlerinnen erweitern konnten. Derzeit sind u. a. die „Snake Lady“ (1969–71), eine zeitgenössische Medusa von Jann Haworth, Kiki Kogelniks „War Baby“ (1972) sowie Arbeiten von Helen Chadwick oder Erica Rutherford zu sehen.  

Meet Karola Kraus - illustration 1
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Links: Jann Haworth, Snake Lady/Schlangenfrau, 1969-1971 / Rechts: Imi Knoebel, Kinderstern, seit 1988

6. Durch Ihre internationale Tätigkeit als Museumsdirektorin und Kuratorin haben Sie einen vielfältigen Einblick in die Konzepte verschiedenster Institutionen erfahren. Was macht das mumok in Wien so besonders für Sie? Und welchen Herausforderungen begegnen Sie dort bei Ihrer täglichen Arbeit als Direktorin?

Das mumok ist ein äußerst lebendiges Museum. Mit einer Mischung aus unterschiedlichen Programmschienen – Sonderausstellungen mit herausragenden Einzelpositionen, aber auch mit jungen, wegweisenden österreichischen und internationalen Künstler*innen, thematischen Ausstellungen seit der Moderne und inhaltlich präzisen Sammlungsausstellungen – sowie mit unserem umfangreichen Vermittlungsprogramm für ein Publikum unterschiedlichster Altersstufen und sozialer Herkunft sind wir mit einer breiten Öffentlichkeit, aber auch mit einem dezidierten Fachpublikum in einem ständigen Dialog.


Auswahl von Kunstwerken

Drucke, Red-Yellow-Blue, Imi Knoebel

Red-Yellow-Blue

Imi Knoebel

Drucke - 113 x 84 x 1 cm Drucke - 44.5 x 33.1 x 0.4 inch

2.200 €

Drucke, La Mère & la Fille / Mother and Daughter - 1913, Egon Schiele

La Mère & la Fille / Mother and Daughter - 1913

Egon Schiele

Drucke - 80 x 58 cm Drucke - 31.5 x 22.8 inch

1.990 €

Drucke, Lovers, 1917 (Mann und frau, umarmung), Egon Schiele

Lovers, 1917 (Mann und frau, umarmung)

Egon Schiele

Drucke - 74.5 x 52 cm Drucke - 29.3 x 20.5 inch

990 €

Gemälde, An meine Grüne Seite 07-29, Imi Knoebel

An meine Grüne Seite 07-29

Imi Knoebel

Gemälde - 20 x 15 x 5 cm Gemälde - 7.9 x 5.9 x 2 inch

16.000 €

Gemälde, Fishing Red I E, Imi Knoebel

Fishing Red I E

Imi Knoebel

Gemälde - 60 x 120 cm Gemälde - 23.6 x 47.2 inch

18.000 €

Drucke, Untitled, Alexander Calder

Untitled

Alexander Calder

Drucke - 74.8 x 60 x 0.3 cm Drucke - 29.4 x 23.6 x 0.1 inch

Verkauft

Drucke, La Fille en rouge / The Girl in Red, 1913 (Standing woman in red / Stehende Frau in Rot), Egon Schiele

La Fille en rouge / The Girl in Red, 1913 (Standing woman in red / Stehende Frau in Rot)

Egon Schiele

Drucke - 70 x 50 x 1 cm Drucke - 27.6 x 19.7 x 0.4 inch

650 €

Drucke, Enfoncez le mot, Alexander Calder

Enfoncez le mot

Alexander Calder

Drucke - 38 x 28 cm Drucke - 15 x 11 inch

Verkauft