Wenqin Chen

„Alle Dinge sind gekrümmt“ ist Chen Wenqins künstlerische Schaffensphilosophie.

Chen Wenqin beschäftigt sich immer wieder mit den Themen Raum, Zeit und Leben. Die moderne kosmologische Theorie besagt, dass es im Universum keine Zeit gibt; es gibt keinen Begriff von Zeit, ähnlich wie bei der Skulptur „All things are curving“ (2009). Sie ähnelt einem stehenden Ei mit einer Edelstahl-Spiegelfläche, die alles im Universum widerspiegelt: Sie ist das Universum. Grenzenlos, ohne Anfang und Ende, ohne Ausgangspunkt oder abschließendes Symbol, verweilt sie stets in ihrem eigenen Zustand, unabhängig von der Zeit. Aber sie zeigt uns, dass ihre einzige Funktion darin besteht, dass alle Dinge, die gebrochen werden, gekrümmt sind. Sie zeigt uns auch, dass sie in diesem Moment Raum einnimmt.

Wo Substanz ist, ist auch Raum. Wenn sich Substanz bewegt, wird die Zeit zur Bewegung der Substanz und zeichnet deren Bewegungspfad auf. Menschen definieren Raum und Zeit basierend auf ihrer Bewegung. In der Skulpturenserie „Time Continues in the Space of Movement“ (2010) benannte Chen Wenqin jedes Werk mit englischen Gerundien, um die ewige Bewegung der Substanz zu vermitteln. Die Zeit zeichnet die unendliche Bewegung im Raum in Form von Skulpturen auf, und diese Bewegung wird ohne Ende fortgesetzt. Dies ist ein ewiger Zustand von Zeit und Raum.

Das chinesische Tai Chi ist ein endloser Kreislauf von Wiedergeburt, von Nichts zu Existenz und von Existenz zu Nichts. Dies spiegelt Einsteins Verständnis der Zeitstruktur wider, wonach die Geschwindigkeit des Zeitflusses an verschiedenen Orten unterschiedlich ist, was die Struktur der Zeit ungeordnet und verzerrbar macht. Die Skulpturen der Serie „Distorted Time“ (2023) folgen der Bewegung der Substanz und der Entstehung der Zeit, wodurch die Zeit verzerrt wird. Durch das Verdrehen und Wenden von ebenen Flächen von außen nach innen oder umgekehrt entsteht eine freie und dynamische skulpturale Form. Die Skulptur akkumuliert Zeit in einer gewölbten Fläche, wo sich Zeit sammelt und umhüllt, was ein Gefühl des Eingeschlossenseins der Zeit vermittelt. Doch die Zeit scheint durch die Risse der Skulptur zu fließen. „The Shape of Time“ (2019) und „Wrapping Time“ (2022) zeigen zusätzlich die Struktur und den Zustand der Zeit.

Die Zeit existiert in Ereignissen, nicht in Objekten, und wird verwendet, um die Entwicklung und Veränderung von Ereignissen aufzuzeichnen. Sie ist nicht nur ein Punkt oder eine Linie, sondern auch eine Fläche. Die Bewegung der Substanz erfordert die Einwirkung äußerer Kräfte, um Ereignisse und deren multidimensionale Entwicklung zu erzeugen, während die Zeit auch die Bewegungsbahnen von Ereignissen in mehreren Dimensionen aufzeichnet. Wie Aristoteles sagte: „Zeit ist lediglich ein Maß für Veränderung.“ Die fließende Zeit wird durch Ereignisfragmente unterteilt, aber zwischen ihnen besteht eine Beziehung gegenseitiger Förderung, Verzerrung und Abhängigkeit. Die Skulpturenserie „Superimposition of Time“ (2024) zeichnet diese Beziehungen in skulpturaler Form auf.

Andererseits basiert das Bewegungsgesetz der Zeit auf der Akkumulation von Wiederholungen, und der Zeitfortschritt ist immer positiv. Daher wurden „Wiederholung und positive Zahlen“ zu einem zentralen sprachlichen Element in der Gemäldeserie „Time Net“ (2018). Menschen erschaffen Zeit, und Zeit regiert die Menschen. Zeit zeichnet jedes Ereignis auf und verwebt es, biegt und ordnet es ungeordnet, überkreuzt, stapelt und bedeckt sich, wodurch die funktionale Struktur der Zeit vollständig dargestellt wird. Dies zeigt sich auch in der Serie „Horizon“ (2022).

Der Raum entsteht aus der Substanz, die Zeit entsteht aus dem Raum, und alle Dinge entstehen aus der Zeit. Die Zeit verleiht allen Dingen der Welt Existenz. Um die Bewegung der Substanz aufzuzeichnen, haben Menschen die Zeit und eine Uhr geschaffen, um sie zu messen. Durch die Aufzeichnung der Erdrotation um die Sonne werden die vier Jahreszeiten, Tag und Nacht, das Überleben und die Fortsetzung des Lebens sowie die Abfolge von Ereignissen wie das Blühen und Verwelken von Blumen unterschieden. Durch Werke wie „Beautiful Evolution“ (2008), „Complete Process“ (2007) und „Introspection“ (2021) versucht der Künstler, die Überlebensbewegung von Organismen und die Bedeutung der Existenz der Zeit für die Menschheit zu veranschaulichen. Für jeden von uns wird die Zeit genutzt, um jedes Ereignis aufzuzeichnen, das uns widerfährt, sowie die Zusammenhänge zwischen Ereignissen. Daher verwendet die Gemäldeserie „Stories in Stories“ (2015) Kurven, um das Verständnis des Künstlers für Überlebensbewegung und Leben darzustellen. Die Skulpturenserien „Communication“ (2021) und „Fusion“ (2023) zeigen die Erzählstruktur jedes Einzelnen. Genau wie es uns persönlich passiert, sind Geschichten miteinander verbunden, berühren und kollidieren, wobei Wahrnehmungen, Emotionen und Einstellungen miteinander verschmelzen.